Auf 26 Prozent kommt die AfD in der letzten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa vom 29. April und liegt damit nunmehr zwei Prozentpunkte vor der Union. Und jetzt das: Ein Gutachten des Verfassungsschutzes stuft die stärkste Oppositionspartei Deutschlands als «gesichert rechtsextremistisch» ein. Zuvor betraf dies nur einzelne Landesverbände. Nicht nur das Vorgehen wirft Fragen auf, sondern auch die inhaltliche Begründung. Soweit wir das überhaupt wissen. Denn: Der Grossteil des 1100-seitigen Gutachtens ist unter Verschluss.

Nun wird das Gutachten des Verfassungsschutzes nicht erst vor einer Woche in Auftrag gegeben worden sein; dennoch scheint es geradewegs zur richtigen Zeit zu kommen. Wieder einmal offenbart sich das fehlende Gespür der politischen Kräfte im Umgang mit der Alternative für Deutschland und deren Wählern. Dabei sollte inzwischen auch dem Allerletzten klargeworden sein, dass man die Menschen mit solchen Aktionen eher in die Arme der AfD treibt, als sie von ihr abzuhalten.

Viel interessanter als die undemokratischen Umtriebe der vermeintlichen Verteidiger der Demokratie erscheint jedoch die Begründung. Die AfD würde das deutsche Volk ethnisch definieren. So wird etwa der Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck mit folgenden Worten im Gutachten zitiert: «Wir müssen auch wieder entscheiden dürfen, wer überhaupt zu diesem Volk gehört und wer nicht. Es gehört mehr dazu, Deutscher zu sein, als einfach nur eine Staatsbürgerurkunde in der Hand zu haben. Uns alle hier auf diesem Marktplatz verbindet viel mehr als nur eine gemeinsame Sprache. Uns verbindet ein unsichtbares Band, das man einfach nicht erklären muss. Jeden Einzelnen von euch verbindet mehr mit mir als irgendein Syrer oder irgendein Afghane, und das muss ich nicht erklären, das ist einfach ein Naturgesetz.»

Gesichert ist nur eines: Eine gemeinsame Identität lässt sich nicht mit der Nazikeule erzwingen.

Ich sehe es genau so wie Gnauck. Folglich müsste mich der Verfassungsschutz auch als «gesichert rechtsextremistisch» einstufen und mit mir viele andere Deutsche, die einen Syrer nicht plötzlich als Deutschen ansehen, nur weil er nach fünf Jahren den deutschen Pass hinterhergeworfen bekommen hat.

Hier zeigt sich das Kernproblem. Es geht nicht darum, dass wir Deutsche plötzlich alle zu Rassisten geworden sind. Es gibt kaum ein anderes Land als Deutschland, das offener auf Zuwanderer reagiert, die auch nur ein Mindestmass an Integration und Zugehörigkeit zeigen. Aber genau hier liegt die Krux. Stünde die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit noch immer am Ende eines Prozesses der Anpassung und Integration an die hiesigen Gepflogenheiten, hätte kaum einer ein Problem damit, Menschen, die eingebürgert wurden, auch ohne ethnische Zugehörigkeit als Deutsche zu akzeptieren. Aber genau das ist eben nicht mehr der Fall.

Wer derart inflationär Pässe an Menschen verteilt, die weder unsere Werte und Kultur teilen noch ihren Beitrag zum deutschen Gemeinwesen leisten, der muss sich nicht wundern, dass die Staatsangehörigkeit für viele Menschen keinerlei Aussagekraft mehr besitzt.

 

Zugehörigkeit, Gemeinschaftsgefühl und Solidarität einer Gesellschaft werden eben nicht in erster Linie durch ein Stück Papier geschaffen. Sondern durch Gemeinsamkeiten. Menschen wahllos auf einem Stück Land nebeneinander anzusiedeln macht aus ihnen noch lange kein Volk.

Noch verlogener wird das Ganze, wenn man bedenkt, dass von jenen Menschen, die wir uneingeschränkt als Deutsche anerkennen sollen, nicht einmal erwartet wird, sich selbst mit dieser Identität zu identifizieren. Viele Eingebürgerte etwa aus Afghanistan oder Syrien sehen sich weiterhin in erster Linie als Afghanen oder Syrer. Zum Vergleich: Würde ich in Japan nach fünf Jahren im Eilverfahren eingebürgert, würde mich das kaum zur ethnischen Japanerin machen – und kein Japaner, der das genauso sieht, würde deshalb als rechtsextrem eingestuft.

Nein, eine solche Haltung wird immer nur von Europäern verlangt. Dahinter verborgen: eine linke One-World-Ideologie, die von der Auflösung der westlichen Nationalstaaten träumt. Gesichert ist nur eines: Eine gemeinsame Identität lässt sich nicht mit der Nazikeule erzwingen. Wer möchte, dass Menschen auch ohne ethnische Zugehörigkeit als Deutsche angesehen werden, sollte zunächst einmal damit beginnen, darauf zu achten, wen er überhaupt zu Deutschen macht.

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